Für Trump war die Nahost-Reise ein voller Erfolg. Die Auftragsschwemme für die amerikanische Rüstungsindustrie macht selbst bei seinen Kritikern Eindruck. Wer will da den Miesepeter geben und an diesem Erfolg herumkritteln, selbst wenn unten im amerikanischen Volk davon vermutlich nicht viel ankommen wird. Zunächst aber macht sich Hoffnung breit. Und so ist auch das Wall Street Journal voll des Lobes für Trump und bezeichnet seinen Auftritt in Riad als „einen hoffnungsvollen Aufbruch, der von Teheran über Damaskus bis Moskau bemerkt werden wird“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23.5.17: Trump und das Böse).
Wollen wir das WSJ mal beim Wort nehmen und stellen die Frage: „Was wurde da aufgebrochen?“ Auch hierzu ein Zitat: „Im Gegensatz zu der Regierung von Präsident Obama knüpft die Trump-Regierung das Geschäft offenbar nicht an eine Verbesserung der Menschenrechtslage…“ ( FAZ vom 22.5.17: Trump fordert die islamische Welt zur Führung im Kampf gegen den Terror auf). Nun war auch der Friedensnobelpreisträger Obama kein Friedensengel. Unter seiner Herrschaft wurde mehr Krieg geführt als unter der von Bush, und aus all seinen angekündigten Friedensmissionen, mit denen er die Menschen der Welt besoffen gemacht hat, ist kein wirklicher Frieden entstanden. Auch Guantanamo besteht weiterhin, was ohne Absprache mit anderen Mächten alleine in den USA hätte gelöst werden können.
Nun ist fraglich, ob es wirklich um die Menschenrechte ging, als man den Saudis, den Kurden und vielen dieser Milizen, die im Nahen Osten vom Westen ausgerüstet werden, die Waffen verweigerte, die diese für ihren erfolgreichen Kampf forderten. Vielmehr schien den Waffenstellern die Gefahr zu groß, dass sich diese Waffen gegen sie selbst richten könnten, wie man in Afghanistan und besonders in Syrien hatte erfahren müssen. Als Obama sich 2013 von den Gegnern Assads nicht hatte zu einem Militärschlag gegen Syrien provozieren lassen, schlossen sich viele dieser Milizen, die der Westen zuvor mit Waffen versorgt hatte, zum Islamischen Staat zusammen. Wer soll diese Kräfte entwaffnen, wenn man sie erst einmal mit hoch effektivem Gerät ausgerüstet hat und sie sich nicht mehr so verhalten, wie es bei der Ausgabe der Waffen vereinbart war? Und die Kampfbereitschaft vieler Armeen im Nahen Osten ist nicht sehr hoch. Beim Vormarsch des IS auf Mossul im Jahre 2014 desertierten die irakischen Soldaten, obwohl sie sich in einer zehnfachen Überlegenheit gegenüber den vom Westen auf etwa 30.000 geschätzten IS-Kämpfern befanden. Sie ließen ihre Waffen zurück, die in die Hände des IS fielen, sodass heute bei der Rückeroberung Mossuls die amerikanischen Soldaten mit ihren eigenen Waffen beschossen werden.
Bei den Problemen, vor denen Trump im Nahen Osten steht, löst der Waffendeal kurzfristig alle Probleme, denen sich er selbst und mit ihm sein Stab gegenüber sehen. Die Waffenverkäufe bringen nicht nur Geld in die USA, was die Aktionäre der Unternehmen erfreut. Sie bedeuten auch ein langfristiges Investment, das die Konkurrenz von diesem Markt fernhält. Vielleicht schaffen sie sogar die vollmundig verkündeten Arbeitsplätze. Politisch mindern sie die Konflikte mit den arabischen Verbündeten im Nahen Osten, die nun endlich wieder Amerika an ihrer Seite wissen in den Kämpfen, die sie zur Zeit führen, und denen, die ihnen vielleicht noch bevorstehen. Vor allem stärken sie die militärische Kraft dieser Staaten.
Mit den Waffenlieferungen ist aber auch eine politische Forderung an die Begünstigten verbunden. Sie sollen die Führung übernehmen im Kampf gegen die islamischen Extremisten, also gegen Teile der eigenen Bevölkerung, und vor allem gegen den Iran. Es geht darum, „eine schlagkräftige Koalition gegen den Islamischen Staat sowie gegen iranisches Vormachtstreben aufzubauen“ (FAZ 21.5.17: Waffen und eine Lektion aus Amerika). Trump verteilt in diesem Ausblick die Rollen folgendermaßen, dass „die mehrheitlich muslimischen Länder die Führung übernehmen“ (ebenda) müssten, und „Amerika werde auf der Grundlage gemeinsamer Interessen an ihrer Seite stehen“ (ebenda). Denn „die Vereinigten Staaten könnten den Feind nicht für sie zermalmen“ (ebenda).
Durch diese Waffenverkäufe und die Lizenzvergaben zur Herstellung im eigenen Land werden Saudi-Arabien, eventuell auch Bahrein und Qatar in die Lage versetzt, die militärischen Aufgaben selbst zu übernehmen und zu erfüllen, für die man bisher immer den Beistand der USA eingefordert hatte. Sie werden ähnlich wie Israel zu den Ordnungsfaktoren aufgebaut, die in die Lage versetzt werden sollen, für Ruhe in der Region zu sorgen. Dass dies beabsichtigt zu sein scheint, wird deutlich an Einlassungen Trumps in Israel. Dort „warnte Trump abermals vor einer Gefahr Irans für Israel und den Nahen Osten. Dies führe die arabischen Staaten und Israel zusammen“ (FAZ 23.5.17: Trump warnt Israel und arabische Staaten vor Bedrohung durch Iran). Die Gegensätze zwischen Israel und den arabischen Monarchien sollen aufgehoben werden in der gemeinsamen Konfrontation gegen den Iran und die Aufstandsbewegungen, die im Westen unter dem Begriff des islamistischen Extremismus zusammengefasst werden.
Bereitwillig wird diese Sicht vom Kommentator der FAZ aufgegriffen: „jetzt ist der islamistische Extremismus der Feind. Und das trifft zu.“ (FAZ 21.5.17: Gegen den Terrorismus). „Nun redet er [Trump] einem Zusammenprall der Kulturen nicht mehr das Wort; einem Demokratieexport sowieso nicht. Nun sucht er eine große Koalition zu schmieden …, wobei der Hauptkampf von den muslimischen Ländern selbst zu tragen sei“ (ebenda). Der Konflikt der Religionen, der Jahre lang als Erklärung für die Vorgänge im Nahen Osten hatte herhalten müssen und damit die Hirne vernebelte, hat ausgedient. Es geht um Politisches, den Kampf gegen den Iran und um den Kampf gegen die Aufstandsbewegungen, die nicht den Interessen des Westens dienen. Es geht nicht mehr um Menschenrechte, Demokratieexport, Rechtsstaatlichkeit oder Ähnliches, wofür die Soldaten des Westens und der NATO in Afghanistan und sonst irgendwo glaubten, dass es sich zu sterben lohnt. Es geht ums Geschäft und um die Konfrontation mit denen, die sich den Interessen des Westens, besonders der USA, widersetzen.
Damit ist aber Trump ideologisch wieder dort angekommen, wo man in den 1970er Jahren aufgehört hatte, bei der offenen politisch und wirtschaftlich begründeten Interessenvertretung. Hatten die USA nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Interventionen und Kriege in allen Teilen der Welt als einen Kampf gegen den Kommunismus geführt, so mussten sie nach den Niederlagen in Südostasien und Afrika nach dem Verfall des portugiesischen Kolonialreiches feststellen, dass die Armen der Welt keine Angst vor dem Kommunismus hatten. Und schon gar nicht waren sie bereit, ihr Leben zu lassen für die Angst der Amerikaner und des Westens vor dem Kommunismus. Denn damit konnte man nur die relativ wohlhabenden Menschen in den kapitalistischen Hochburgen erschrecken. Wer nichts zu verlieren hatte, hatte auch keine Angst vor dem Kommunismus, aber vor den Kriegen der USA, die den Armen keinen Wohlstand brachten, ihnen aber noch das letzte raubte, was sie hatten, ihr Leben.
Um nach dem amerikanischen Vietnam-Debakel wieder Kriege mit der Unterstützung der eigenen Bevölkerung führen zu können, musste eine neue Legitimation für Kriege her. Der damalige amerikanische Präsident Jimmy Carter und seine Denkfabrik, Carter Center für Menschenrechte, erhoben die Menschenrechte zum Leitgedanken für das politische Handeln der USA, die in der bisherigen Politik der USA kaum eine Rolle gespielt hatten. Für die Einhaltung und Umsetzung der Menschenrechte waren viele Menschen nun wieder bereit, Opfer auf sich zu nehmen. Man traf damit den Nerv der Zeit. Denn die meisten Menschen wollen, dass alle Menschen in Frieden, Wohlstand und Freiheit leben. Den ersten politischen Erfolg verbuchte diese Politik mit der Unterstützung der Mujahedin in Afghanistan in ihrem Kampf gegen die Interventionstruppen der UdSSR. Sie, die heute von der NATO als Taliban bekämpft werden, konnten die UdSSR nach erheblichen Verlusten zum Abzug aus Afghanistan zwingen.
Aber dieses Eintreten für die Menschenrechte war nicht ungeteilt. Mehr und mehr wurde deutlich, dass sie dort verteidigt wurden, wo sie den Interessen des Westens dienten. Wo sie keinen Gewinn versprachen, überließ man die Menschen weiterhin den Despoten oder dem Elend. So verhungerten Millionen, für die die Menschenrechte nicht zu gelten schienen.
Nachdem die Kriege für Menschenrechte immer mehr in Verruf gekommen waren und zudem auch die Wirtschaft behinderten, besonders die Rüstungsindustrie, aber auch die modernen elektronischen Industrien, nahm die Begeisterung für Menschenrechtspolitik mehr und mehr ab. Sie war vielen schlichtweg hinderlich geworden, zumal sie auch immer schwieriger dem eigenen Volk zu vermitteln war. Denn wieso griff man unter Hinweis auf die Menschenrechte den Irak und Afghanistan an, nicht aber Saudi-Arabien, wo die Verhältnisse nicht besser waren? Wieso bekämpfte man den Iran nach der Islamischen Revolution, während man den Schah davor Jahrzehnte lang unbehelligt wüten in ließ gegen das eigene Volk? Wieso bombardierte man Jugoslawien der Menschenrechte wegen, sah aber bei den Massakern in Srebrenica weg und griff nicht ein? All diese Ungereimtheiten waren politisch immer schwerer zu erklären. Und noch schwieriger wurde es, für die Vorgänge und Parteinahmen im Nahen Osten eine Erklärung anzubieten, die dem Menschenrechtsgedanken stand hielt.
Mit Trumps Waffendeal hat sich diese Frage fürs Erste ohnehin erledigt. In dem für ihn typischen Hauruck-Verfahren durchschlug er den Gordischen Konten aus eigenen Interessen bei deren gleichzeitiger Verschleierung hinter Menschenrechtsgefasel, indem er sich um solche Fragen und Überlegungen keinen Deut schert. Ihm geht es um den wirtschaftlichen Vorteil für die USA und den politischen Ansehensgewinn für Donald Trump.
Mit der angestoßenen Entwicklung stehen die USA nun nicht mehr in der vordersten Kampflinie sondern werden sogar militärisch entlastet bei gleichzeitigem finanziellem Gewinn aus den Waffenverkäufen und Lizenzgebühren. Was will man mehr in Washington? Besser kann es doch nicht laufen. Denn Saudi-Arabien und die anderen Emirate verfügen über Landstreitkräfte mit dem nötigen Bodenpersonal, um die Kriege zu führen, die die US-Regierungen zu Hause in der eigenen Bevölkerung nur noch schwer durchsetzen können. Der Westen wird längerfristig also nicht mehr angewiesen sein auf solche unsicheren Kantonisten wie die syrischen oder dschihadistischen und auch kurdischen Milizen, die alle schwer unter Kontrolle zu halten sind, weil sie nicht nur für die Interessen des Westens sondern in erster Linie für die eigenen kämpfen.
Das neue Konzept für den Krieg in Syrien und vermutlich den gesamten Nahen Osten sieht unter Trump also so aus, dass die USA den Golfstaaten hilfreich zur Seite stehen mit der Lieferung modernster Waffen und der Lizenzvergabe zur eigenen Herstellung von Waffen. Aber die USA werden sich dafür nicht mit Bodentruppen an den Kämpfen beteiligen. Das werden die Golfstaaten selbst leisten müssen, das heißt, sie werden eigene Truppen einsetzen müssen. Damit werden diese bisher noch relativ stabilen Staaten vor eine Zerreißprobe gestellt werden, wenn Muslime gegen Muslime kämpfen sollen.
Aber auch dieses Konzept der Amerikaner gerät bereits in Widerspruch zu den Interessen zumindest des Emirats Qatar. So hat sich der Außenminister der Emirats, al Tani, bereits gegen die Pläne Washingtons ausgesprochen, die Konfrontation mit dem Iran zu vertiefen. In ihrem Beitrag „Amerika soll Stärke zeigen“ vom 19.5.17 stellt die FAZ fest, dass Al Tani sich „gegen eine Eskalation des Konflikts mit Iran“ aussprach. „Es gebe schon genug Konflikte in der Region. Einen weiteren könne sie kaum verkraften. …. Alle Staaten der Golfregion bräuchten konstruktive Beziehungen zu Teheran.“ (ebenda).
Es wird sich zeigen, wie sich die Widersprüche zwischen den unterschiedlichen wirtschaftlichen und politischen Interessen im Nahen Osten weiter entwickeln. Die USA scheinen jedenfalls auf dem Weg, die Niederlage in Ost-Aleppo wettmachen zu wollen aufkosten einer größeren Konfrontation in der Region, die nicht mehr alleine auf Syrien beschränkt zu bleiben scheint. Der neue iranische Präsident Rohani sieht es so: „Das Problem ist, dass die Amerikaner unsere Region nicht kennen und jene, die die amerikanischen Regierungsbeamten beraten, sie in die Irre führen“ (FAZ 23.5.17: Trump warnt Israel und arabische Staaten vor Bedrohung durch Iran).
Rüdiger Rauls Buchveröffentlichungen:
- Wie funktioniert Geld? Buchbeschreibung
- Kolonie Konzern Krieg – Stationen kapitalistischer Entwicklung Buchbeschreibung
- Zukunft Sozialismus oder die Grenzen des Kapitalismus Buchbeschreibung
- Die Entwicklung der frühen Gesellschaften-Die Geschichte Afghanistans Buchbeschreibung
- Was braucht mein Kind? Buchbeschreibung
- Späte Wahrheit (Prosa) Buchbeschreibung
Herausgeber von:
- Imre Szabo: Die Hintermänner ( ein politischer Krimi) Buchbeschreibung
- Imre Szabo: Die Unsichtbaren ( ein politischer Krimi) Buchbeschreibung