Facebook-Revolten

Hongkong wird von Unruhen erschüttert. Sie zeigen sehr viele Ähnlichkeiten mit der Bewegung Fridays-for-Future. Werden die Farbenrevolutionen nun abgelöst von den Kampagnen der sozialen Medien wie facebook? Ist die Zeit der von Werbefachleuten initiierten Facebook-Kampagnen angebrochen?

Stein des Anstoßes

Unter dem Titel „Ein Land, zwei Justizsysteme“ vermittelt die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11.6.2019 eine weitgehend sachliche Darstellung des Konflikts und der Interessen, die in Hongkong aufeinander treffen. Im weiteren Verlauf der Berichterstattung wird diese Neutralität weitgehend aufgegeben zugunsten der Kräfte, die sich gegen die Interessen der Hongkonger Regierung und Chinas stellen.

Auslöser des offenen Konflikts war das geplante Auslieferungsgesetz der Hongkonger Regierung, nach dem „Personen in Hongkong auf Antrag der chinesischen Justiz festgenommen und an diese ausgeliefert werden könnten“i. Dabei handelt es sich um eine Liste von 37 Straftaten, „neben Mord und Vergewaltigung vor allem Wirtschaftsdelikte wie Betrug oder Korruption“ii. Also alles Straftaten, die in jedem westlichen Staat im selben Maße der Verfolgung durch die Justiz unterliegen und keine chinesische Besonderheit darstellen. Gerade im Falle der Korruption stellt der Westen immer wieder hohe Anforderungen an andere Staaten, um diesen Sumpf im Interesse von Transparenz in den Wirtschaftsbeziehungen und der Gleichbehandlung aller Wirtschaftsakteure trocken zu legen.

Dass es sich bei dem Auslieferungsgesetz um eine nach Ansicht der Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam notwendige Maßnahme hielt, begründete sie „mit Gesetzeslücken und der Gefahr, dass Hongkong sich anderenfalls zu einem Paradies für Justizflüchtlinge entwickeln werde“.iii Anscheinend bestens im Bilde über die Verhältnisse vorort räumte selbst die Frankfurter Allgemeine Zeitung ein: „Korruption war in der Vergangenheit in China so weit verbreitet, dass wohl fast jeder Hongkonger Geschäftsmann theoretisch ins Visier der chinesischen Justiz geraten könnte“iv

Wem nützen die Proteste?

Was aus diesem Grunde sehr gut verstanden werden kann: „Auch die Geschäftswelt, die gewöhnlich dem pro-Pekinger Establishment nahe steht, läuft Sturm gegen die Änderung“.v Denn sie müssen damit rechnen, „noch schneller als bisher beispielsweise für Steuerhinterziehung in den Fängen der chinesischen Staatsmacht zu landen“.vi Wen wundert es da, dass die Proteste jegliche Unterstützung erfahren aus den Kreisen, die nicht nur Betroffene wären sondern auch über die notwendigen Mittel verfügen, gegen eine solche Gefahr für ihre Interessen mobil zu machen.

Sehr früh machten auch die Amerikaner Druck und drohten damit, „dass amerikanische Unternehmen ihre Firmensitze in andere Städte verlegen könnten“.vii Es scheint also um mehr zu gehen, wenn in Hongkong kritisiert wird, was gegenüber anderen Staaten gefordert wird vonseiten des Westens. Wollen doch China und die Hongkonger Regierung gerade das umsetzen, was sonst immer als eines der hohen Güter der Demokratie westlichen Zuschnitts ausgelobt wird: Rechtsstaatlichkeit.

Nun kann nicht übersehen werden, dass sich Hunderttausende der Protest-Bewegung angeschlossen haben. Schon vor Jahren war es zu ähnlichen Demonstrationen unter dem Begriff der Regenschirm-Bewegung gekommen für eine Änderung des Wahlgesetzes. Sie alleine als verirrte oder willfährige Lakaien des Großkapitals zu beschimpfen, wie man schnell in sogenannten linken Kreisen bei der Hand ist, ist mit Sicherheit genau so falsch wie die Darstellung westlicher Medien, die sie in den Rang von Freiheitskämpfern erheben wollen.

Dennoch kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass es in der Hongkonger Gesellschaft Unzufriedenheit geben muss, die sich in solchen Bewegungen und Entwicklungen äußert. Nur ist anhand der westlichen Berichterstattung nicht zu erkennen, worin diese Unzufriedenheit zu bestehen scheint. Für die Meinungsmacher im Westen gibt es in Bezug auf Konflikte in China immer nur einen Erklärungsansatz: Es geht um Menschenrechte und deren Unterdrückung durch die kommunistische Partei.

Wer trägt die Bewegung?

Immer wieder taucht in den Berichten über die Zusammenstöße, die im Verlaufe der Auseinandersetzungen ständig gewalttätiger wurden, die Gruppe Civil Human Rights Front als Organisator und treibende Kraft auf. Um wen es sich dabei genau handelt und ob es Kräfte im Hintergrund gibt, die diese Gruppe für andere Interessen einspannen und sie finanzieren, kann im Moment noch nicht gesehen werden.

Auffällig ist die Ähnlichkeit mit der Fridays-for-Future-Bewegung(FfF) im Westen. Wenn auch die Inhalte unterschiedlich sind, so zeigen sich in der Entstehung und den Anhängern der beiden Bewegungen Parallelen. „Eine neue Generation von Demonstranten ist auf der Straße. Viele von ihnen sind noch Schüler. Andere Studenten jüngeren Semesters“.viii Die vordergründige Ähnlichkeit mit FfF ist verblüffend.

So hat die Bewegung einerseits „bisher keine sichtbaren Anführer hervorgebracht“ix, womit auch unklar bleibt, welche Interessen die Bewegung vertritt. Denn da ist niemand, der offiziell in ihrem Namen spricht. Jeder kann sich als Sprachrohr ausgeben, ohne dass dessen Wahrheitsgehalt überprüft werden kann. Andererseits sind „die Demonstranten über soziale Netzwerke extrem gut organisiert“.x Hier gilt dasselbe. Wer gibt dort den Ton an? Wer sind die Kräfte im Hintergrund der Netzwerke, wer betreibt sie, wer finanziert sie, und wer entscheidet über die Themen und Inhalte? In wieweit ist, was dort diskutiert und beschlossen wird, repräsentativ und authentischer Ausdruck von Willen und Geist dieser Bewegung?

Wie auch im Falle von FfF und ihrer Kultfigur Greta Thunberg war die Bewegung in Hongkong wie aus dem Nichts entstanden. Bei FfF genügten ein Foto und ein Artikel auf facebook.xi, um eine unübersichtliche und undurchsichtige Entwicklung in Gang zu setzen. Sind in Hongkong wie Renthzog im Falle Gretas Kampagnen-Macher am Werke, die ihre Erfahrungen aus Produkt-Werbung, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit dazu nutzen, Menschen zu manipulieren und zu mobilisieren? Werden Idealismus und die Unerfahrenheit junger Menschen genutzt für Interessen, derer diese sich nicht bewusst sind?

Selbst im Westen ist man über die Wucht der Bewegung in Hongkong überrascht. So stellt die FAZ fest: „Die Protest-Bewegung von 2014 hatte ihr Ziel, ein demokratischeres Wahlsystem einzuführen, nicht erreicht. Den prodemokratischen Kräften viel es schwer, noch Massen zu mobilisieren. Doch der Widerstand gegen das Auslieferungsgesetz hat das schlagartig geändert.“xii Hier drückt sich Überraschung aus, denn im Vorfeld der Diskussion um das Auslieferungsgesetz im Hongkonger Parlament gab es selbst in den westlichen Medien keine Hinweise darauf, dass Unmut in der Bevölkerung zu einer solchen Entwicklung führen könnte. Es bleibt also abzuwarten, zu welchen Ergebnissen die Vorgänge in Hongkonger führen.

Es drängt sich aber die Frage auf, ob nun eine Phase kampagnengetriebener Bewegungen angebrochen ist, gesteuert durch soziale Medien durch Fachleuten der Medien- und Werbebranche im Hintergrund? Lösen sie nun die Regime-change-Attacken und Farbenrevolutionen ab, die seit dem Machtwechsel in der Ukraine immer mehr mit Argwohn betrachtet werden? Diese waren immerhin noch getragen von Erwachsenen mit politischer und Lebenserfahrung, die sich von einem anderen Regime und der Anlehnung an den Westen eine Verbesserung ihrer Lebensumstände erhofften. Diese Bewegungen hatten Gesichter. Ist nun die Zeit der von Schülern und Jugendlichen getragenen facebook-Revolten angebrochen?

iFAZ vom 11.6.2019: Ein Land, zwei Justizsysteme

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viFAZ vom 14.6.2019: Jetzt zittern die Investoren

viiFAZ vom 11.6.2019: Ein Land, zwei Justizsysteme

viiiFAZ vom 17.6.2019: Die neue Protest-Bewegung will nicht weichen

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xiiFAZ vom 17.6.2019: Die neue Protest-Bewegung will nicht weichen

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