Trugbild China

Der folgende Leserbrief wurde am 26.4.2020 an die Frankfurter Allgemeine Zeitung geschickt und ist bis heute nicht veröffentlicht. Er setzt sich kritisch mit der Berichterstattung der Zeitung und ihrer Korrespondentin, Frederike Böge, zu den Vorgängen in China auseinander. Dabei handelt es sich bei Böges Berichten nicht um Randnotizen von untergeordneter Bedeutung. Die Zeitung räumt ihrer Mitarbeiterin nicht selten eine ganze Seite für ihre Berichterstattung ein. Das von Böge geförderte Chinabild scheint sich also mit dem zu decken, was die FAZ gerne in der Öffentlichkeit über die Verhältnisse in China verbreitet wissen möchte. Dies gilt für alle Bereiche des Lebens in China: für die Corona-Epidemie,  die Vorgänge in Hongkong  wie auch die Menschenrechtsdebatte um die Situation der Uiguren, Chinas Außenpolitik und die Seidenstraße.

Dass dieser Leserbrief bisher nicht veröffentlicht, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Ausgewogenheit der FAZ in Bezug auf ihre China-Berichte. Obwohl man die Möglichkeiten hätte, scheint die FAZ also der Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt nicht denselben Stellenwert beizumessen, den man selbst von China immer wieder erwartet und einfordert.

Man kann von dieser Zeitung nicht unbedingt erwarten, dass sie ein China-freundliches Bild zeichnet, wenn sie dem Land gegenüber negativ eingestellt ist. Aber es sollte gerade solchen eine Warnung sein, die sich an der Verbreitung dieses negativen China-Bildes beteiligen, die sich gemeinhin als aufgeschlossene und kritische Geister verstehen. Oftmals liegt deren „Kritik“ nichts anderes zugrunde als eine zwanghaft antiautoritäre Haltung, die sich grundsätzlich gegen „Oben“ wendet, egal ob die Entscheidungen, die von „Oben“ kommen, sinnvoll sind oder nicht. Sie, die sich für kritisch und aufgeklärt halten, betreiben das Geschäft derer, die die Konfrontation mit China durch Manipulation der Öffentlichkeit fördern.

Denn eines sollten auch die kritischen Geister nicht vergessen. Wir alle beziehen unsere Informationen aus zweiter Hand. Unser Weltbild wird vermittelt durch die Informationen, die wir aus Medien beziehen, egal ob es sich dabei um Mainstream-Medien handelt oder um alternative mit ihrem alternativem Mainstream. Und besonders im Falle Chinas vermitteln diese Medien uns ein Bild, das sie selbst für richtig halten. Die Frage, ob sich dieses vermittelte Bild mit der Wirklichkeit deckt, spielt bei den meisten Medien keine Rolle mehr. Erkenntnis steht nicht im Vordergrund sondern Interesse. Das sollte der Leser nie vergessen.

 

Böges China

Frederike Böge berichtet als Korrespondentin für die FAZ aus China. Zuletzt brachte sie in der Ausgabe vom 25.4.2020 einen ganzseitigen Bericht über Wuhan unter dem Titel Wuhans Wunden. Sie hat für die Authentizität ihrer Artikel das Totschlagargument auf ihrer Seite, dass sie im Gegensatz zu eventuellen Kritikern in China lebt. Auffällig aber ist, dass Böge in ihren Beiträgen fast nur Kritiker Chinas zu Wort kommen lässt. Einblick in das Leben und die Ansichten von Menschen, die mit dem Leben in China zufrieden sind, vermittelt sie so gut wie gar nicht. Dabei ist es doch bisher keinem Land der Welt gelungen, innerhalb so kurzer Zeit Hunderte Millionen von Menschen aus der Armut zu führen. Armut mag für eine Intellektuelle, die in Deutschland nach dem Krieg geboren ist, keine besondere Bedeutung haben. Vermutlich sieht das aber er überwiegende Teil der chinesischen Bevölkerung anders. Der aber kommt bei Böge nie zu Wort. Sie erweckt vielmehr den Eindruck anhand von Einzelbeispielen, deren Repräsentativität fraglich ist, dass der Großteil der chinesischen Bevölkerung der Führung des Landes ablehnend bis feindlich gegenüber steht. Das ist wenig wahrscheinlich. Vielmehr scheint sie sich von einer Voreinstellung zu ihrem Gastland leiten zu lassen, die nur das vermittelt, was in ihr Bild von China passt. Übertragen wir dieses Vorgehen mal auf unser Land: Wer hierzulande würde gerne ein Bild von Deutschland in der Welt gezeigt bekommen, das gezeichnet wird von Linksradikalen, AfD-Anhängern, Wutbürgern oder Verschwörungstheoretikern. Vermutlich sind das angesichts von 1,4 Mrd Chinesen im Verhältnis zur Bevölkerungszahl sogar noch mehr. Es ist natürlich das verlegerische Recht der FAZ, ein Bild von China durch Böge zu vermitteln, das ihren Vorstellungen entspricht. Aber der Leser, der drei Euro am Tag für die Zeitung ausgibt, hat ein Recht auf sachliche Information statt Manipulation. Dazu muss man nicht einmal ein Befürworter des chinesischen Systems sein, sondern einfach nur ein interessierter Bürger, der die Welt verstehen will.

Ein Kommentar zu „Trugbild China

  1. Ich empfinde die geschilderte Problematik ähnlich und desaströs, v.a. wie schnell ehemals annehmbare Medien verkommen und öffentliche Wahrnehmungen verbogen wird. Das Problem ist wohl das der Bildung und Kultur. Es besteht hintergründig darin, dass wir noch immer nicht in die Lage versetzt sind, zu bemerken, dass unsere Vor- und Vorvorfahren bereits unter solchen Medien litten. Die sind heute noch immer nicht kollektiv orientiert, weil zunehmend vom überbordend spekulativen Finanzsystem und der neoliberal geknebelten Wirtschaft abhängig. Das konnte ein Jeder spätestens 2013/14, dem hundertsten Jahrestag des Weltkriegsbeginns, feststellen. Damals wurde ein, wieder einmal mehr als Kanonenfutter benötigtes Deutschland, scheinbar mit „Schlafwandeln“ entlastet und der vermeintliche Befreiungsschlag medial über Monate befeuert. Doch es fiel kaum auf, dass die bis heute unterschlagenen Kriegsakten und selbst G.G. Preparata`s Erkenntnisse, „Wer Hitler mächtig machte“, bei dieser Werbetour entfielen.

    Ich meine jedoch, dass es „natürlich“ kein „verlegerisches Recht“ gibt, sich über gesellschaftliche, ganzheitliche Interessen und historische Erfahrungen hinwegzusetzen, um destruktive Einzelinteressen Unbekannter zu vertreten.

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