Kasachstan: Farbenrevolution ohne Farbe (2. Teil)

Im folgenden ein Beitrag zur Diskussion auf LinkeZeitung um die Frage, ob es sich bei den Vorgängen in Kasachstan um eine von langer Hand geplante Farbenrevolution handelt.

Linke Zeitung 7. 1.2022

Kommentar von Rüdiger Rauls vom 7.1.2022

So wie die Klimamissionare jede Wettererscheinung auf den Klimawandel schieben, so verdichtet sich der Eindruck, dass Linke oder wer sich dafür hält für alles in der Welt die USA und DAS Kapital verantwortlich machen (wollen, müssen). Bei beiden Themen werden Einzelerscheinungen zu einem Weltbild zusammengepresst, die keine andere Funktion haben, als die eigenen Vermutungen zu stützen.

Denn bei dem meisten, was der in Russlandfragen sehr geschätzte Thomas Röper in seinem Bericht über Kasachstan und die vermutete Farbrevolution, die bisher noch gar keine Farbe hat, erwähnt, werden Einzelerscheinungen zu einer Vermutung zusammengeführt, die dann wie ein Beweis gehandhabt wird. Das ist sehr dünnes Eis, wenn er „aufgrund der Reaktionen des Westens sicher [ist], dass es sich bei den Unruhen in dem Land um eine vom Westen orchestrierte Farbrevolution handelt.“

Allein die Reaktionen des Westens sind doch noch kein Beleg. Natürlich ist man in den Hauptstädten des Wertewestens nicht unglücklich darüber, dass Russland in Kasachstan ein erneuter Konflikt vor der eigenen Haustür droht. Mit Sicherheit wird man auch versuchen, diesen Konflikt zum eigenen Vorteil zu nutzen, zumal der Westen nach der Niederlage in Afghanistan und der drohenden Niederlage im Ukraine-Konflikt ohnehin keine gute Figur im Moment abgibt. Seine Schwäche scheint ihm mittlerweile überall durch das Festtagsgewand.

Nur stellt sich die Frage, ob er zu solch einem Gegenschlag vor der Türe Russlands überhaupt (noch) in der Lage ist. Denn dazu gehört ja mehr als der Wille, in Kasachstan Unfrieden zu stiften. Da müssen Verbindungsleute vorort sein, auf die man selbst Einfluss hat und die dann auch noch das umsetzen, was man ihnen aufträgt. Das hat schon in Syrien nicht richtig geklappt und in Venezuela auch nicht. Zudem müssen diese Verbindungsleute erreichbar sein, ohne dass sie von den Geheimdiensten Kasachstans und Russlands observiert werden. Denn die Russen und Kasachen sind ja auch nicht blöde und wissen, wen sie im Auge behalten müssen.

Wenn da Waffen im Spiel gewesen sein sollen, von denen manche Linke hierzulande annehmen, dass sie aus dem Westen stammen, dann müssen diese ja auch irgendwie dorthin gelangt sein. Mit amazon wird man die vermutlich nicht verschicken können. Westliche oder NATO-Stützpunkte gibt es in Kasachstan nicht, von denen sie an die Leute ausgegeben werden könnten, die das Geschäft des Westens betreiben sollen. Und vor allem: Selbst wenn man solche Agenten vorort hat, müssen diese auch Einfluss in der Bevölkerung haben.

Wer würde denn hierzulande beispielsweise irgendwelchen Linken folgen, die zum gewalttätigen Aufstand gegen die Expolsion der Strom- und Gaspreise aufraufen. Kein Hund. Die Linke ist hierzulande so isoliert, dass sie noch nicht einmal zu Protesten dagegen aufruft. Also, wenn für die Unruhen in Kasachstan irgendwelche vom Westen bezahlten oder angeheuerten Kräfte zuständig sein sollen, dann müssen sie dort bereits vorher über erheblichen Einfluss verfügt haben.

Und da stellt sich dann die Frage, ob diese einflussreichen Kräfte, zumal wenn sie im Untergrund tätig sind, dann nicht gerade verstärkt der Beobachtung durch den Staat unterliegen. Selbst hier bei uns in der politisch relaltiv stabilen Bundesrepublik wird doch jede politische Kraft, die nur annähernd eine Bedrohung für den Staat sein könnte, unter mehr oder weniger offensichtliche Beobachtung gestellt. Erst recht in solchen Länder wie Kasachstan. wo die politischen Verhältnisse zerbrechlicher sind.
Es spricht wenig dafür, dass hier eine Farbenrevolution stattfindet, vielmehr stattdessen um eine spontane Erhebung, ausgelöst durch die Preiserhöhungen, in der sich aber sehr viel Unmut entlädt, der sich über Jahre angesammelt und aufgestaut hat. Auch der Hinweis auf den Öl-und Gasreichtum ist kein Beweis. Es geht nicht immer nur um Öl, zumal die USA selbst mittlerweile einer der größten Gas- und Ölexporteure sind.

Zudem so schreibt die chinesischen German-China.org betreibt die amerikanische Chevron die Ausbeutung des kasachischen Öl. „Das von Chevron geführte Unternehmen teilte mit, dass die Produktion nicht beeinträchtigt worden sei.“ (http://german.china.org.cn/txt/2022-01/06/content_77974194.htm). Was wollte die USA gewinnen, wenn es versucht, Ölreserven unter amerikanische Kontrolle zu bringen, die doch schon unter dessen Kontrolle stehen. Viel eher besteht doch die Gefahr, dass bei einer Ausweitung der Unruhen auch die Produktion von Chevron beeinträchtigt werden könnte.

Es kann auch geostrategische Aspekt nicht bestritten werden, dass die USA ein großes Interesse einer militärischen Präsenz in Kasachstan haben. NUR: das Interesse allein reicht nicht aus, man muss es auch umsetzen können. Zwar ist eine Errichtung von Militrärstützpunkten theoretisch möglich. Aber theoretisch ist alles möglich. Entscheidend ist, was praktisch umsetzbar ist. Denn um einen Militärstützpunkt zu errichten, muss man in der Lage sein, militärisches Personal und Material auf den Stützpunkt zu bringen. Kasachstan ist umgeben von Russland, China und anderen Staaten, die dem Westen nicht sonderlich gewogen sind wie z.B. Iran. Es ist unwahrscheinlich, selbst wenn Kasachstan an den Westen fiele, dass die Anrainerstaaten amerikanische Truppentransporte und Überflüge gestatten würden.

Natürlich sind all diese Gesichtspunkte, die Röper aufführt, nicht auszuschließen. Es kann auch gut sein, dass irgendwelche Denkfabriken, Geheimdienste und ähnliche Kräfte an der Vorbereitung und Umsetzung solcher Pläne arbeiten. Aber all das ist im Moment Vermutung, unbelegbare Spekulation, zusammengesetztes Puzzle aus Einzelerscheinungen. Und vor allem sollten die Linken hierzulande nicht so tun, als wären sie alleine in der Lage, solche Gefahren zu erkennen. Die Russen haben sicherlich vielmehr Möglichkeiten solche Gefahren zu identifizieren und ihnen zu begegnen, als so manche hierzulande glauben.

Es gäbe noch so einiges, was in Röpers Beitrag genauer untersucht werden müsste, aber es soll nicht der Eindruck entstehen, dass es um Rechthaberei geht. Es geht um das Erkennen der Wirklichkeit. Was nützt Rechthaberei, wenn am Ende sich alle aus der Diskussion entnervt verabschiedet haben, die tatsächliche Entwicklung in der Welt aber trotzdem ganz anders verlaufen ist, als sie in Aussicht gestellt worden ist. Gewonnen ist dann nichts.

Was gilt es aber zu gewinnen? Zum ersten: Erkenntnis! Wer die Wirklichkeit nicht erkennt, ist den Entwicklungen in der Welt nicht gewachsen. Sie läuft an dem vorbei, der glaubte, Recht gehabt zu haben. Andernfalls muss er die Ereignisse so hinbiegen, dass sie in das Bild passen, dass er entworfen hat. Das Ergebnis ist aber in beiden Fällen, dass der Rest der Welt ihn nicht mehr ernst nimmt. Das ist die Lage der Linken in Deutschland derzeit.

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