Paukenschlag im Nahen Osten

Das schlug ein wie eine Bombe. Mehrere Staaten in der islamischen Welt brechen ihre Beziehungen zu Qatar ab. Kaum hat Trump den Nahen Osten verlassen, wo er die Führer der muslimischen Staaten zum gemeinsamen Kampf gegen den Terror und vor allem aber gegen den Iran aufgerufen hat, zeigt sich, wie weit dieses Bündnis schon Wirklichkeit geworden und handlungsfähig ist. Die Begeisterung, mit der Trump auf diese Ereignisse reagierte, macht deutlich, dass er dieses Vorgehen der Golfstaaten gegenüber Qatar nicht nur unterstützt. Er wertet es als Ergebnis seines Besuchs in Riad und ist deshalb ganz in seinem Interesse. „Es sei so gut zu sehen, dass sein Besuch in Saudi-Arabien sich bereits auszahlt“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 7.6.2017: Trump feiert Isolation Qatars als seinen Erfolg).

Eines wird immer deutlicher: Schienen die Amerikaner noch zu Beginn des Jahres nach dem Fall von Ost-Aleppo geschlagen in ihrer Absicht, Assad zu stürzen, so haben sie sich nicht nur sehr schnell von dieser Niederlage erholt. Sie scheinen auch die Kräfte neu organisieren und dem Handeln des Westens, der Nato und den befreundeten Staaten im Nahen Osten eine neue Stoßrichtung geben zu wollen. Trump hat in Riad und Israel die eindeutige Parole ausgegeben: Iran und der islamistische Extremismus sind der gemeinsame Feind. Gegen diese haben sich die gemäßigten islamischen Staaten unter der Führung der USA und eventuell im Bunde mit Israel zusammenzuschließen. Religiöse Ausrichtung spielt dabei keine Rolle mehr. Entscheidend ist die Frontstellung gegen Iran und die Aufstandsbewegungen.

Hierin dürfte auch der Hintergrund für die Maßnahmen gegen Qatar zu sehen sein. Bereits während Trumps Nah-Ost-Reise hat der qatarische Außenminister Al Tani zu verstehen gegeben, dass eine Konfrontation mit Iran nicht im Interesse seines Landes ist und auch nicht im Interesse der gesamten Region sein kann (siehe dazu: Trump setzt neue Maßstäbe). Saudi-Arabien, die Vereinigen Arabischen Emirate und Bahrein, die sich auf die Linie Trumps haben einschwören lassen, haben offensichtlich seit der Abreise Trumps vergeblich versucht, Qatar im Rahmen des Golf-Kooperationsrates umzustimmen und in die Front gegen Iran einzugliedern. „Der unmittelbare Anlass der Krise dürfte gleichwohl in einer Auseinandersetzung innerhalb der … Golfmonarchien über das Verhältnis zu Iran zu suchen sein.“ (FAZ vom 6.6.2017: Mehrere arabische Staaten brechen Beziehungen zu Qatar ab).

Dass die politischen Beziehungen im Minutentakt abgebrochen wurden, zeigt, dass die Gegner Qatars gut vorbereitet sind und dass ein politisches Zeichen gesetzt werden soll, das sicherlich nicht nur dem abtrünnigen Emirat gilt. Vielleicht soll es auch gerade in erster Linie dem Iran die eigene Geschlossenheit demonstrieren und die Bereitschaft, gemeinsam und entschlossen zu handeln. Denn die der Öffentlichkeit vorgelegte Erklärung für den Abbruch der Beziehungen ist nicht sehr glaubwürdig. Förderung des Terrorismus ist ein Vorwurf, der in der Region gegen jedes Land erhoben werden kann. Dabei hat Doha doch sogar mit den anderen Ländern des GCC zusammen die Rebellen im Jemen bekämpft, die gemeinhin als die Schützlinge des Iran gelten. Aus dieser von Saudi-Arabien geführten Allianz ist Qatar jetzt ausgeschlossen worden.

Ohnehin ist Qatar durch den Abbruch der diplomatischen Beziehungen weitgehend isoliert, nicht nur politisch sondern nach der Schließung aller Verkehrswege auch geographisch. Der einzige offene Zugang besteht jetzt nur noch über den Iran, womit Qatar noch mehr in dessen Arme getrieben wird, ohne es vielleicht selbst zu wollen. Wenn auch das Emirat kein politisches oder militärisches Schwergewicht ist, was allein schon darin zum Ausdruck kommt, dass man auf seinen militärischen Einsatz im Jemen verzichtet, so kann man im GCC und auch in Washington nicht daran interessiert sein, dass sich Doha noch mehr dem Iran zuwendet.

Aus all den Vorwürfen und Drohungen gegen das Emirat einerseits und aus dem Wunsch andererseits, den Iran zu isolieren und ihm nicht noch zusätzlich zur Unterstützung durch Qatar zu verhelfen, lässt sich eigentlich nur der Schluss ziehen, dass massiver Druck auf Qatar ausgeübt werden soll, um seine Einstellung zu Iran zu ändern und sich in das Bündnis gegen Iran einzugliedern. Das Vorgehen der Golfmonarchen und ihrer Verbündeten vermittelt die Botschaft auch an andere arabische Staaten, dass es im Kampf gegen den Iran und auch gegen die Aufstandsbewegungen keine Sonderinteressen mehr gibt. Alle haben sich dem gemeinsamen Ziel unterzuordnen, den Iran zu isolieren und in welcher Form auch immer zu bekämpfen.

Zudem haben mit Trump die USA wieder die Führungsrolle in der Region übernommen, die auch viele besonders im Golf-Kooperationsrat schmerzlich vermisst hatten. Denn die USA sind die einzige Macht, die in der Lage ist, die widerstrebenden Kräfte im Nahen Osten zu einer Allianz zusammen zu schmieden. Sie verfügen über die Macht, die Einzelinteressen der einzelnen Staaten nieder zu halten und zu richten auf das gemeinsame Ziel, die Bekämpfung des Iran und der Aufstandsbewegungen, die Trump als den islamistische Extremismus bezeichnet.

Wie weit dieser Kampf gegen den Iran gehen wird, ist jetzt noch nicht zu erkennen. Eine kriegerische Auseinandersetzung scheint bei den Vorbereitungen, die getroffen werden, und dem Druck, der aus Washington kommt, nicht ausgeschlossen. Aber für Spekulationen ist es zu früh. Es gibt noch keine konkreten Anzeichen für einen solchen Verlauf des Konflikts. Vieles wird davon abhängen, wie sich die Situation in Syrien weiter entwickelt und damit die Kräfteverhältnisse in der Region allgemein. Denn nicht alleine Iran ist der Feind, auch das Syrien Assads. Hatte es zum Jahreswechsel Stimmen aus Washington und Europa gegeben, die nach dem Fall Ost-Aleppos dazu aufriefen, die veränderten Kräfteverhältnisse anzuerkennen und sich mit Assad zu arrangieren, so scheint die neue Administration in den USA mit höherem Einsatz das Ziel zu verfolgen, Assad zu stürzen.

In dieses Bild passt neben der Bildung der Allianz der gemäßigten arabischen Staaten gegen den Iran und die Aufstandsbewegungen eine zweite Entwicklung, die Abkehr von der Türkei als Verbündeten und die Hinwendung zu Jordanien. „… Jordanien ist im Gegensatz zum türkischen Präsidenten ein zuverlässiger und berechenbarer Partner des Westen“ (FAZ vom 7.6.2017: Verlässlich, aber fragil). Denn die Türkei hat die kurdischen Truppen, die für den Westen kämpften, mehr behindert als den IS und die Truppen Assads. Sie hat damit in den Augen des Westens die Kampfkraft des Bündnisses geschwächt, ohne selbst einen entsprechenden Beitrag zum Erfolg der westlichen Bestrebungen zu leisten.

Mit Jordanien ist der Westen nun in der Lage, eine zweite Front gegen Assad aufzubauen, während im Norden die kurdischen Verbände mit westlicher Unterstützung immer mehr an Boden gewinnen. Es stellt sich die Frage, wie sich die Kurden im Konflikt zwischen Assad und dem Westen verhalten werden, sollte der IS geschlagen werden. Bisher sind sich Assad und die Kurden nicht ins Gehege gekommen, und Assad hat sie gewähren lassen, solange sie sich mit dem gemeinsamen Feind beschäftigten.

Mit der Verlegung deutscher Soldaten nach Jordanien bekommt auch der Streit mit der Türkei um das Besuchsrecht deutscher Parlamentarier auf dem Stützpunkt Incirlik eine ganz neue Bedeutung. Sollte der Streit wohl möglich einzig dazu dienen, der deutschen Öffentlichkeit einen plausiblen Grund anzubieten für die Verlegung der Soldaten nach Jordanien? Denn es muss wohl mehr im Spiel gewesen sein, als der deutschen Öffentlichkeit weisgemacht werden soll, wenn die Türken das Besuchsrecht in Incirlik verweigerten, es aber auf dem zweiten Stützpunkt mit deutscher Beteiligung, Konya, nicht in Frage stellten. Ging es wirklich nur um Besuchsrechte oder stellte man besondere Forderungen an die Türken bezüglich der Einsätze von Incirlik aus, dass es zu diesem Machtkampf kam? Denn „die Bundeswehr hatte schon vor dem Scheitern einer Einigung… andere aus militärischer Sicht sinnvolle Standorte ausgemacht“ (FAZ vom 7.6.2017: Kein neues Mandat nach Incirlik-Abzug erforderlich).

Vieles deutet darauf hin, dass der Kampf gegen Assad nun wieder intensiviert werden soll mit anderen Akteuren und einer anderen Strategie. Denn es ist offensichtlich, dass Assad den Krieg gewinnt, wenn die sogenannte Westliche Wertgemeinschaft die Entwicklung so weiter laufen lässt. Der Widerstand der Rebellen wird nach dem Fall von Ost-Aleppo und der Einrichtung der Deeskalationszonen immer schwächer. Das ermöglicht es den syrischen Verbänden, nun auch nach Süden in Richtung Jordanien vorzudringen, wo es nun immer häufiger zu Kämpfen kommt zwischen regulären syrischen Truppen und der von den USA geführten Militärallianz. Diese unterhält in Jordanien an der Grenze zu Syrien Stützpunkte zur Ausbildung syrischer Milizen. Es scheint, dass nun mit Jordanien ein Ersatz für die Türkei gefunden ist und dass der Krieg des Westen gegen Assad nun von dort aus weiter geführt wird.

Seit dem Besuch Trumps im Nahen Osten scheint der Konflikt in der Region eine neue Dimension zu bekommen. Die scheinbare Zurückhaltung Obamas wird ersetzt durch das offensive Auftreten Trumps. Dabei weiß er die Ängste der Bevölkerung in den USA vor dem Einsatz eigener Bodentruppen zu nutzen, indem er die Vorbehalte früherer US-Regierungen über die Lieferung von Waffen in die Region über Bord wirft. Er beliefert Staaten und Milizen, die er für zuverlässige Vertreter der amerikanischen Interessen hält und rüstet damit die Bodentruppen anderer Staaten aus, weil die USA die eigenen Soldaten nicht ins Gefecht führen wollen. Dadurch und durch die Bildung neuer Bündnisse entwickelt sich der Krieg, der bisher als ein rein syrischer Bürgerkrieg angesehen werden konnte, zu einem regionalen Konflikt, in dem sich zunehmend Staaten mit ihren Armeen gegenüber stehen.

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